Hörgeräteversorgung Weltweit
Eine im August 2021 veröffentlichte Studie stellt sich die Frage: Wie steht es um die weltweite Hörgeräteversorgung? Erstmals auf Basis der Hörgeräteverkäufe durchgeführt, kam sie dabei auf folgendes Ergebnis: Nur 10 bis 11 Prozent aller Schwerhörigen weltweit sind mit Hörgeräten versorgt. Auch wenn die Studie wegen der Unsicherheit vieler Datenquellen lediglich eine präzise Annäherung sein kann, lässt sich eines definitiv schlussfolgern: Eine Hörgeräteversorgung ist nach wie vor eine Frage des Wohlstands.
Von 457 Millionen Menschen mit Hörverlust haben nur 44,7 Millionen Menschen Hörgeräte, das entspricht etwa 10 Prozent. Dieser Mittelwert verschleiert jedoch die gravierenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen: während in Afrika südlich der Sahara lediglich 1 Prozent der Schwerhörigen mit Hörgeräten versorgt ist, sind es in wirtschaftlich starken Ländern bis zu 57 Prozent. Letztere machen aber nur etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung aus.
So wurde vorgegangen
Als schwerhörig gilt im Rahmen der Studie jeder ab WHO2, also einem Hörverlust von mindestens 40 dB. Die WHO teilt die Welt außerdem in acht verschiedene, wirtschaftlich vergleichbare Regionen auf. Mithilfe dieser Datenquellen wurde die Prävalenz von beidseitigem Hörverlust in den jeweiligen Regionen ermittelt.
Die WHO unterteilt die Welt in acht wirtschaftlich vergleichbare Gruppen. Diese Unterteilung wurde genutzt, um die jeweilige Hörgeräteversorgungsrate zu ermitteln.
Den Hörgeräte-Gesamtumsatz gibt der Branchenverband der Hörgerätehersteller, EHIMA, jährlich bekannt. In der EHIMA sind alle wesentlichen Hörgerätehersteller der Welt organisiert. Sie stehen nach eigenen Angaben für 90% aller weltweit verkauften Hörsysteme: In Nordamerika und Westeuropa zum Beispiel 87 beziehungsweise 92 Prozent, in Asien aber lediglich 39 Prozent. Dort gibt es eine Vielzahl an Herstellern, die nicht in der EHIMA vertreten sind und deren Absatzzahlen nicht einsehbar sind, was eine genaue Bestimmung schwer macht.
Viele Hürden
Um herauszufinden, wie viele Schwerhörige tatsächlich Hörgeräte tragen, müssen aber noch einige weitere Faktoren berücksichtigt werden, die sich darauf auswirken, wie viele der verkauften Hörgeräte tatsächlich in Gebrauch sind:
In wohlhabenden Ländern, in denen es mitunter Zuzahlungsmodelle gibt, beträgt die Durchschnittsnutzung etwa 5 Jahre, während in einkommensschwachen Ländern die Hörgeräte so lange genutzt werden, bis sie vollständig abgenutzt sind.
Während in überwiegend wohlhabenden Ländern bei beidseitigem Hörverlust in der Regel zwei Hörgeräte verordnet werden, nutzen viele Menschen in ärmeren Ländern nur ein Hörgerät, da bereits eines einen enormen Vorteil gegenüber der Nichtversorgung darstellt.
In wohlhabenden Ländern werden oft auch leichte Hörverluste versorgt, die in der Studie aber außer Acht gelassen werden. Diese Verkäufe mussten also abgezogen werden. Gerade in ärmeren Ländern kommen auch gebrauchte Hörgeräte zum Einsatz, die also nicht im Hörgeräteabsatz enthalten sind.
Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?
In einem früheren Artikel über Schwerhörigkeit in Deutschland gaben wir die Hörgeräte-Versorgungsrate mit etwa 5,6 Prozent an. Diese Zahl entstammt einer Studie von Holube, Hoffmann und von Gablenz von 2019. Dort ging man jedoch von der Gesamtheit der Schwerhörigen inklusive WHO1 aus. Lässt die Menschen mit leichter Schwerhörigkeit jedoch außer Acht, liegt Deutschland ungefähr in dem Bereich, der für die wohlhabenden Länder ermittelt wurde.
Hoher Bedarf in wirtschaftlich schwächeren Ländern.
Die Studie zeigt zwar, dass auch in den wohlhabenden Regionen nicht jeder Schwerhörige mit Hörgeräten versorgt ist, allerdings fällt im Vergleich vor allem die große Versorgungskluft in den ärmeren Regionen auf.
Dem zu entgegnen ist auch die Aufgabe der WHO. Im World Report on Hearing, den die WHO am Welttag des Hörens 2021 herausgegeben hat, sind unter anderem Empfehlungen enthalten, wie in Ländern mit niedriger Versorgungsdichte Fortschritte erzielt werden können. Darunter fällt der Ausbau der Verfügbarkeit von HNO-Ärzten, Audiologen, Sprachtherapeuten oder Gehörlosenlehrern. Letztendlich sei vieles aber einfach abhängig von der wirtschaftlichen Situation des betroffenen Landes. Daher erfordere es unterschiedliche Strategien, um den Weg für Verbesserungen zu ebnen. Organisationen wie die Starkey Foundation, Hear The World von Sonova oder lokale Initiativen wie Hören helfen in Peru zeigen, wie es geht.